Dennoch bin ich davon überzeugt, dass Verbote immer nur ein Armutszeugnis einer Gesellschaft sind. Von den in die Verantwortung Gewählten wird das zu Grunde liegende Problem zwar erkannt, sie sind aber nicht in der Lage es zu ändern oder wollen dies vielmehr gar nicht, bringt es doch auch Vorteile so viele "Junkies" wie möglich zu haben. Und die Verantwortlichen, nämlich wir alle, können weiter unseren Papa/Mama-Autoritätskomplex pflegen und müssen uns nicht um unsere eigenen, eigentlichen Probleme und schon gar nicht um Persönlichkeitsentwicklung kümmern.
Am Beispiel des Rauchens werde ich nun darstellen, wie ich das meine.
Als Tabakwerbung noch erlaubt war, hat sie uns einen tiefen Einblick in das Psychogramm von Rauchenden ermöglicht. Erinnern Sie sich noch an den Marlboro-Mann auf dem Rücken eines Pferdes in den Weiten des Wilden Westens? Oder an den Memphis-Flieger, der Höhenflüge über den Wolken verhieß? Rauchen wurde als Freiheitsbringer gefeiert, das uns aus der Enge unseres irdischen Alltags führt und unser Leben lebenswert macht. Je öfter, umso besser natürlich! Medizinisch gesehen ist genau das Gegenteil der Fall: Verengung der Lungenkapillaren und der Blutgefäße (was uns ja die EU in Kürze durch entsprechende Bilder auf den Zigarettenpackungen drastisch, aber sicher erfolglos, vor Augen führen wird). Mehr als die körperliche Abhängigkeit, die beim Nikotin allerdings wirklich sehr rasch einsetzt, ist es bei Drogen aller Art wohl die psychische, die zur großen Herausforderung wird.
Also müsste man doch ganz woanders beginnen, anstatt die auf Entzug befindlichen mit Nikotinpflastern und E-Zigaretten zu versorgen. Das allerdings birgt eine Gefahr für beide Seiten. Die einen müssten plötzlich Verantwortung für ihr Leben übernehmen und endlich erwachsen werden. Die anderen könnten durch den Verlust der kindlichen Gesellschaft mit einem Mal all ihre Macht verlieren und müsste sich einer Menge Auseinandersetzungen stellen, die jede Menge gesellschaftlichen Sprengstoff enthalten. Und das wollen so nur wenige, weil damit auch der Verlust der Komfortzone verbunden ist.
Rauchen wäre dann möglicherweise nicht obsolet, aber ließe sich in einen kulturellen, möglicherweise auch rituellen Kontext einbinden. Ich liebe es, von Zeit zu Zeit eine Feierabend-Zigarette, -Zigarillo, -Virginier oder -Pfeife zu konsumieren, aber die müssen wirklich starker Tobak sein und bewusst genossen werden. Die Freiheit für mein Sein aber hole ich mir woanders, in dem ich mich dem stelle, was mein Leben von mir fordert. Nicht leicht - und manchmal fallen mir schon die einen oder anderen Fluchtmechanismen ein: eine halbe Tafel Schokolade auf einen Sitz zum Beispiel oder ein kleiner Frustbewältigungseinkauf. Tja, wir sind ja doch nur Menschen.
Dennoch halte ich eine Gesellschaft für feige, die mit Verboten nur das erreicht, dass alle darüber nachdenken, wie sie diese (legal und illegal) umgehen können, anstatt sich selbst zu reflektieren und ihre Persönlichkeit zu entwicklen.
Interessant auch, dass der in den 70er-Jahren mit einem Skelett illustrierte Slogan "Rauchen macht schlank" tatsächlich stimmt. Viele entwöhnte RaucherInnen steigen auf andere orale Befriedigungen um und nehmen auf diese Weise über die Maßen zu.
Es ist also noch ein weiter Weg zu einer Gesellschaft wie sie sich der Gesundheitsminister und die Wiener Gesundheitsstadträtin wünschen, in der Jugendliche - trotz aller Verbote - nicht zu rauchen oder andersiwe süchtig zu werden beginnen.