Sie hatten kein Verständnis für die Aufnahme von solchen „Massen“ und wollten wissen, wer das bezahle und wo die Familien seien: „Wir sehen nur junge Männer“, so eine Frau besorgt.
Die Gemeinde Spital am Semmering ist dabei nur symptomatisch für die vielen kleinen und großen Orte in Österreich, in denen Unterkünfte für Asylwerber gefunden werden sollen. Auch hier regt sich großer Widerstand mit den immer selben Argumenten, die aus den Ängsten, die mit politischem Kleingeld bedient werden, stammen. Und dabei ist unser seliges Heimatland ein klassisches Einwandererland - seit jeher. Viele von uns ÖsterreicherInnen haben Wurzeln in den mittlerweile benachbarten Staaten der ehemaligen K.u.K.-Monarchie. Ich etwa bin ein halber Tscheche, nach meinem Vater, der zwar in Wien geboren und aufgewachsen ist aber tschechische Eltern hatte.
Das vergessen wir sehr schnell, wenn es um Menschen aus Nicht-EU-Ländern geht, die sich bei uns aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen ansiedeln wollen. Und die Verantwortlichen machen uns dieses Vergessen leicht, weil sie nämlich auf Entscheidendes vergessen: Das Projekte in einem solchen Ausmaß wie im Haus Semmering geplant Verstand und Gefühl der Menschen ansprechen müssen. Die können nicht einfach aus dem Boden gestampft werden. In Spital wirkt das ja wirklich sehr dramatisch, wenn 400 Asylwerber mit 180 Einheimischen zusammen leben sollen. In Traiskirchen etwa kommen auf knappe 18.000 Einwohner derzeit 1,600 AsylwerberInnen. Diese Zusammenballung und damit Ghettoisierung von Menschen kann nicht funktionieren. Und sie muss logischerweise Ängste schüren. Eine solche Vorgangsweise hinter dem Rücken der Menschen ist alles andere als eine Deeskalationsstrategie.
Die derzeit kolportierte "Bankrotterklärung der Hilfsbereitschaft" (O-Ton Innenministerin Mikl-Leitner) ist logische Folge dieser Vorgangsweise und damit hausgemacht. Fast komme ich zu dem Schluss, dass die Frau Innenministerin hier wohl kalkuliert hat, um damit Sicherheitsthemen, die ihr ein Anliegen sind, die aber zuletzt juristisch gekippt wurden, wieder zu aktivieren. Die AsylwerberInnen sind und waren ihr noch nie ein Anliegen. Und Integrationsminister Kurz hält sich vornehm zurück, ist er doch per eigener Definition erst für jene zuständig, die einen positiven Asylbescheid bekommen haben und nun zu integrieren sind.
Hier beißt sich die Katze in den Schwanz und ein gefährlicher Teufelskreis beginnt, der alle möglichen, schwerwiegenden Folgen für alle Beteiligten haben kann.
Was die Innenministerin damit keinesfalls erreichen wird, ist die Reaktivierung der Hilfsbereitschaft der PolitikerInnen und der Bevölkerung. Möglicherweise erweist sie mit dem gewählten Prozedere ihrer eigenen Sache einen Bärendienst. Bleibt zu hoffen, dass es dann nicht schon zu spät für Beruhigungsmaßnahmen ist.
Für mich ist es jedenfalls ganz wichtig, dass Menschen, die Asyl suchen, in einem der nach wie vor reichsten Staaten Europas, eine gute Basis für einen Neuanfang finden. Das bedeutet, dass diese Menschen von Anfang an eine Chance auf Integration haben müssen und nicht für die Dauer ihres Asylverfahrens in Lagern aufgefangen werden dürfen. Sie sollten als Gäste gesehen werden, die sich für eine unbestimmte Zeit - möglicherweise auf Dauer - in unserem Land aufhalten. Sie sollten in allen Gemeinden Platz finden und dort von einem Mentor/eíner Mentorin begleitet werden. Die Bewohner sollten Kontakt pflegen, denn dieser stellt die Basis für das Erlernen der Sprache und der kulturellen Gegebenheiten dar. Sie sollten Arbeit finden, damit sie ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten können, in der sie vorhaben, auf Dauer zu leben.
Sie sollten als Menschen wie du und ich behandelt werden. Nicht mehr und nicht weniger.